Die Stadt der Zukunft - Eine kurze (Anti-)Utopie.

Frühmorgens dröhnt es blechern aus dem Radio-Wecker neben dem Bett: "Guten Morgen liebe Zuhörer, es ist sechs Uhr und 5 Minuten - die Schadstoffbelastung in der Innenstadt wurde soeben auf Warnstufe rot heraufgesetzt. Das heißt, dass heute alle Kraftfahrer mit ungeraden Ziffernfolgen im Kennzeichen leider keine Berechtigung haben in die Innenstadt einzufahren. Und jetzt Musik von den Beatles.. "

Yesterday, all my trouble seemed so far away..

 

Roman seufzt und verlässt das Bett in Richtung Badezimmer. Er weiß: Heute wird er eine halbe Stunde länger brauchen, denn im Hochseilbahnhof, zwei Straßen weiter ist wieder dichtes Gedränge wegen des Fahrverbotes, aber mit dem Rad möchte er lieber nicht fahren. Seit er weiß, dass er Asthma bekommen hat durch die starke Luftbelastung in der Stadt, benutzt er seiner Gesundheit zuliebe öffentliche Verkehrsmittel, auch wenn er mit dem Fahrrad sehr viel lieber unterwegs wäre.


Dafür sieht es in seiner Stadt aber leider nicht mehr gut aus. Klamme Kassen haben in Kombination mit maroden Brücken und Straßen aus dem vergangenen Jahrhundert dazu geführt, dass für den Erhalt der Radwege einfach kein Geld mehr übrig blieb, geschweige denn für den Bau von neuen Fahrradwegen. Zuviel musste man in seiner Stadt außerdem in den letzten zehn Jahren an Strafzahlungen wegen andauernder Verstöße gegen die Emissionsschutzrichtlinien nach Brüssel überweisen.

 

Und überhaupt: Seit die rechtspopulistische AvD mit in der Regierung sitzt, passiert in Sachen Klimaschutz ohnehin nicht mehr sehr viel. Einzig die nur halbfertig gebaute Hochbahntrasse an Romans Fenster vorbei ist noch übrig vom Klimaschutzideal der Postparis-Ära, als sich die Regierungen noch auf ein gemeinsames Vorgehen gegen die Klimaerwärmung verständigen konnten. Aber das ist lange her, denkt Roman, und tunkt sein Hörnchen hastig in den Kaffee. Durch das offene Fenster dringt das gewohnte Rauschen der Straße in seine Wohnung im zweiten Stock, nur kurz unterbrochen vom Hupen gestresster Autofahrer.

 

Roman schützt seine Ohren unter seinen halbwegs schalldichten Kopfhörern mit Musik aus dem Smartphone und macht sich auf den Weg zur Hochseilbahn. Wie befürchtet, muss er lange warten, ehe er eine Gondel bekommt, die ihn zu seiner Arbeit in die Innenstadt bringt. Quietschend und manchmal sogar ratternd rauscht die etwas schmuddelige Gondel über die Blechlawine hinweg. Vom Sonnenaufgang sieht man heute nicht sehr viel, aber Roman interessiert sich ohnehin mehr für die Einblicke in die Wohnungen und Büros auf seinem Weg. Viele Gesichter kennt er und so manch Einer grüßt ihn sogar manchmal auf dem Weg in seine Arbeit.

 

Am Zielbahnhof angekommen muss er lange auf grün warten warten, ehe die vielen Autos an ihm vorbeigezogen sind. Auch wenn sehr viele davon mittlerweile elektrisch unterwegs sind, merkt er nicht, dass es weniger Verkehr gibt, seit er hier lebt. Ganz im Gegenteil, ihm kommt es sogar so vor, als ob  noch mehr SUVs, Transporter, Kleinbusse und laute Sportwagen unterwegs sind, aber vielleicht täuscht er sich da - Gezählt hat er sie noch nie.

 

Roman ist froh, heute wenigstens ohne Verspätung in der Arbeit angekommen zu sein und denkt mit einem leichten schmunzeln im Gesicht daran, dass er am Wochenende endlich wieder mal nach Hause fahren wird zu seinen Eltern auf's Land, wo er dann mit seinem Moutainbike unbeschwert durch den Wald fährt und die gute Luft genießt - wie früher als er noch Kind war..