Das Auto von Morgen (von wirklich schlauen Fahrzeugen und nicht so schlauen Fahrern)

Gedanklich und körperlich habe ich mich auf die Suche begeben nach Antworten auf die Zukunft des Automobils. Gestoßen bin ich dabei auf Mensch-Maschinen und die Bedeutung ihrer Freiheit in unserer beschleunigten Welt- oder so.

Gleich zu Beginn muss ich feststellen: Wer hier eine technische Einschätzung oder Analyse des Automobils von Morgen erwartet, wird womöglich enttäuscht. Aber wartet’s ab: Hat die Ent-täuschung doch auch immer etwas Gutes. Ich gebe zu, mein Ziel war es, einen Ausblick zu wagen, was wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in unseren Städten an Automobilen erwarten können. Die Recherche förderte zu Beginn auch viele durchaus interessante, beinah verheißungsvolle Berichte über die Zuversicht der Expert*innen zutage, die Hersteller hätten nun endlich den Schuss gehört und würden sich auf den Weg machen, ihre Produktionen nachhaltig umzustellen. Und doch sind diese Artikel am Ende eben so wenig aufschlussreich, wie die erneute Meldung der Bundesregierung vor drei Wochen, die Elektromobilität durch Steuererleichterungen fördern zu wollen. Denn in der Einschätzung des Problems scheinen sich Repräsentant*innen der Autohäuser und der zuständigen Ministerien einig zu sein. So konzentriert sich die Frage nach der Zukunft des Automobils aus ihrer Perspektive auf die Art des Antriebs.

Gewiss, um eine ausreichend große Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu leisten, müssen zur Überbrückung neue Technologien entwickelt werden; doch sind sie mitnichten die Heilsbringer, auf deren Polstern wir es uns ab morgen bequem machen können. Wasserstoff oder E-Auto, smarte Mobile? Es gibt berechtigte Zweifel daran, dass die Verkehrswende allein technisch gelöst wird. Was passiert, wenn wir die Frage nicht bloß technisch betrachten, entkoppelt vom Menschen, sondern ihn in unsere Gleichung mit aufnehmen, dem lohnt es nachzugehen. Mehr Mobilität, weniger Verkehr- so das Credo der Verkehrswende.

Smarte Menschen hinter dem Steuer haben wohl noch immer den größten Effekt auf Lebensqualität und Umweltschutz. Zumindest in den Städten, in denen der Platz so knapp geworden ist, haben wir eine viel drängendere Problematik als die des Antriebs. Denn hinter dem Steuer, da sitzen nahezu zwanghaft: wir. Das Auto von morgen? It’s over, my dear.

Laufen wir der Zukunft hinterher?

Die Zukunft ist schon älter als wir bisweilen annehmen. In einem Artikel des New Yorkers lässt sich nachlesen, wie in den USA des späten 19. Jahrhunderts, quasi in der Geburtsstunde des Automobils, zum ersten Mal, die zukunftsweisende Frage nach dem Antrieb gestellt wurde. Bereits in dieser Zeit entwickelten sich elektrobetriebene Autos und solche mit Verbrennungsmotor nebeneinander. Überraschenderweise galten E-Autos vor der Ford-Ära noch als die bevorzugte Flotte; als eine geräuscharme Avantgarde. Die Beschaffenheit der Technologie in Hinsicht auf ihre Reichweite und die hohen Kosten in der Produktion veranlassten Hersteller vor über 100 Jahren dazu, die Fahrzeuge an mehrere Betreiber*innen und Fahrer*innen zu leasen. In dieser frühen Entwicklungsphase des Automobils entstand ein E-Sharing Modell, das schließlich aufgrund von Monopolbestrebungen kollabiert ist. Nur kurze Zeit später begann mit dem T-Modell von Henry Ford dann die Ära der Automobilproduktion, die nicht nur das Auto von heute formte, sondern auch die Infrastruktur in der Stadt und auf dem Land.

Die einmalige Erfolgsgeschichte die heute daraus abgeleitet wird, ist nur zu erklären, wenn die politischen und planerischen Denkweisen des vergangenen Jahrhunderts mit in den Blick genommen werden. Natürlich ist es nicht selbstverständlich, dass auch hier in Deutschland nach wie vor 57% aller Wege in mit dem Auto zurückgelegt werden. Und auch die im Durchschnitt so absurd geringe Auslastung des PKWs lässt sich nicht als vom Himmel gefallene Tatsache verstehen. Welche Technologien sich in ihrer Produktion durchsetzen und welche Nutzungsformen sich daraufhin etablieren, hängt selbstverständlich auch davon ab, welche gesellschaftlichen Bedeutungen und Interessen damit verbunden werden. Der Entwicklung des Automobils im Laufe des letzten Jahrhunderts folgend, analysiert der Kulturhistoriker Dan Albert das Automobil in seinem Buch „Are we there yet? The American Automobile Past, Present, and Driverless“ als ein de-urbanisiertes, privates und populistisches Fahrzeug. Und falls es uns schon wieder entfallen ist: Hinter dem Steuer der Mensch-Maschinen-Hybride, da sitzen immer noch wir.

Die Freiheit eingetauscht gegen den Stillstand

Kaum waren in diesem Jahr wieder die Forderungen nach einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen im Newsticker erschienen, ging das Gerangel in den Kommentarbereichen großer und kleiner deutscher Zeitungen, sozialer Netzwerke und auf der Straße schon los. Ein Angriff auf des Deutschen liebstes Spielzeug? Allerorts konnte präzise festgestellt: Was in den USA nach wie vor das Klammern am privaten Waffenbesitz ist, das ist in Deutschland die festgefahrene Haltung der Autofahrer*innen und ihrer Bleifüße. Auch dreißig Jahre nach der prominenten Kampagne des Allgemeinen Deutschen Automobil Clubs „Freie Fahrt für freie Bürger“ wird die Automobilität noch immer als Ausdruck von Freiheit, Unabhängigkeit, Individualität und Selbstbestimmung verteidigt. Längst eins geworden, stellen Fahrer*in und Auto jede Dystopie von marodierenden Cyborgs in den Schatten. Wieso nur diese Starrsinnigkeit?

Klar, wir sind nun die dritte Generation, die mit dem Auto aufgewachsen und auch sozialisiert ist. Die Möglichkeit unserer Eltern, oder auch mancher von uns, zur Volljährigkeit ins Auto einzusteigen und die Grenzen der vorher vielleicht noch einfacher zu bestimmenden Heimat hinter sich zu lassen – was für ein Gefühl! Das will uns jemand wegnehmen? Für viele junge Menschen in Deutschland, damals wie heute, ist das Auto wahrscheinlich sogar noch vor dem Umzug in die eigene Wohnung, der erste bewusste Schritt in die Unabhängigkeit vom elterlichen Zuhause. Wie wichtig doch dieser Schritt, den eigenen Radius zu vergrößern, rumzukommen, Erfahrungen zu sammeln. Und auch was für ein großartiges Bedürfnis, sich zu bewegen, sich selbst zu erfahren und mit anderen in Beziehung zu setzen. So richtig erwachsen eben.

Doch einen Blick in die Zukunft gewagt

Dieses Jahr am letzten Freitag im Juli:Ich fahre bei einer Fahrrad-Demo mit. Die extrem heißen Tage im Voraus und monatelange Proteste eines breiten gesellschaftlichen Bündnisses für mehr Klimaschutz bringen in dieser lauen Sommernacht eine kritische Masse von ein paar Tausend Menschen auf ihre Räder. Es dauert eine Weile bis die Straßen genug Platz hergeben, und die Kolonne sich in Bewegung setzt. Die Autos, die wir passieren, machen das was sie sonst auch 23/7 am Tag machen – sie stehen einfach auf der Straße rum. Die Menschen in den Autos warten teils ungeduldig, teils aber auch aufmerksam und interessiert, darauf endlich weiterfahren zu dürfen. Einige von Ihnen warten jedoch nicht. Es geschehen mehrere Momente, in denen sich ein paar freie Bürger auf ihr Recht auf freie Fahrt besinnen und die vom dichten Strom aus Rädern gesperrten Kreuzungen unbeholfen und gefährlich überfahren. Mit ihren fangen auch meine Nerven an zu flattern und ich werde einige Zeit brauchen, um das Gefühl der brenzligen Erfahrung wieder aus den Knochen zu strampeln.  

Später am Abend frage ich mich, wann und wo die einst gewonnene Freiheit und Autonomie denn abhandengekommen ist. Die Freiheit eingetauscht gegen den Stillstand; reichen doch schon 20 Minuten davon aus, um sie schwinden zu sehen. Hält die moderne Freiheit am Ende doch mehr Facetten bereit, als die der einfachen Selbstbewegung? Eins sollte hier nach feststehen: Freiheit, das ist immer auch die Freiheit der Anderslenkenden.

Ich selber besitze kein Auto, bin mir nicht sicher, ob das jemals der Fall sein wird. Doch auch ich steige gerne mal bei Freunden dazu, wenn der Weg durch die Stadt im CarSharing Auto geteilt wird, wenn wir über das Wochenende einen Ausflug machen; in diesen Momenten beschließe auch ich eigenverantwortlich für mich, dass das okay ist. Nur können wir diese Entscheidung nicht mehr nur für uns alleine treffen, wenn wir uns als Mensch-Maschinen nicht verändern. Wir sind darauf angewiesen uns zu bewegen. Sicher, auf dem Land mag sich die Herausforderung aufgrund einer häufig schwachen Infrastruktur nochmal anders stellen, aber das sollte uns nicht davon abhalten, in den dichten und eng vernetzten Städten die Augen vor den Blechlawinen zu verschließen. Viel mehr noch sollten uns diese regionalen Unterschiede daran erinnern, neue und mutige Wege einzuschlagen.

Wenn ich mir dann vorstelle, wie das Auto von morgen aussieht: Das Auto von morgen ist rücksichtsvoll, es gibt Platz ab, es lernt zu teilen, sich mit anderen Teilnehmenden im Straßenverkehr auszutauschen, ohne dabei laut oder aufbrausend zu werden. Mobilität ist etwas Lebendiges, etwas was unserem Bedürfnis nach Selbstentfaltung und Freiheit entspricht. Lasst es uns deshalb auch mit den Fahrzeugen verknüpfen, die eben das unterstützen.