Verkehrswendekonferenz Süd

Zum 16. November hatte die Heinrich-Böll-Stiftung Baden-Württemberg unter dem Motto "Bitte wenden!" zur "Verkehrswendekonferenz Süd" ins DGB-Haus in Stuttgart geladen. Die Hauptreferenten waren der baden-württembergische Verkehrsminister Winne Hermann, der Abteilungsleiter Mobilität und Planung des Zürcher Tiefbauamts und der Berliner Radaktivist Heinrich Strössenreuther.

Landesverkehrsminister Winfried Hermann trug vor,"Das "Ländle" habe die Klimaziele der Bundesrepublik mit einem eigenen Zielkatalog konkretisiert: Der öffentliche Nahverkehr solle verdoppelt werden. Es soll ein Drittel weniger Kfz in Städten geben. Jedes dritte Auto soll klimaneutral fahren. Jeder zweite Weg soll zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt werden. Doch obwohl hier "seit sieben Jahren eine andere Verkehrspolitik" gemacht werde, habe sich an den messbaren Zahlen "nichts geändert". Deutlich machte Minister Hermann das auch mit einer Statistik zur Verkehrsmittelwahl der Baden-Württemberger ("Mobilität in Deutschland", BMVI, ausgewertet für BW). Zwar fahren minimal mehr Menschen mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV, doch der Autoverkehr sank nur um einen Prozentpunkt und - es gehen deutlich weniger Menschen zu Fuß als noch 2008. "

Der ehemalige Leiter für Mobilität und Planung im Tiefbauamt der Stadt Zürich Ruedi Ott schilderte, dass in der Stadt und dem Kanton Zürich basisdemokratische Entscheidungen durch Städteinitiativen und Volksabstimmungen die Motoren der Verkehrswende waren: "Schon 2011 entschieden sich die Züricher Bürger/innen dafür, den Anteil an ÖPNV-, Fuß- und Radverkehr innerhalb von 10 Jahren um 10%-Punkte zu erhöhen. Für Ruedi Ott vor allem ein Beispiel dafür, dass "die Bevölkerung oft viel progressiver denkt als viele Politiker glauben". Es sei daher entscheidend, die Bevölkerung in solche Prozesse "frühzeitig einzubinden".... Dauerhaft informieren, Anreize setzen, Entscheidungshilfen geben, Angebote machen, und diese positiv und selbstbewusst mit öffentlichkeitswirksamen Instrumenten zu kommunizieren, das steht im Zentrum des Züricher Modells. Und das ist, wie Ruedi Ott unterstrich, eine Daueraufgabe."

Der Berliner Fahrradaktivist Heinrich Strössenreuther appellierte an die 120 VertreterInnen der Zivilgesellschaft, dass die Verkehrswende-orientierten Politiker den Flächenkonflikt nicht alleine gewinnen können. Daher brauchen sie die Unterstützung von außen (auch als "unten" bekannt) gegen die ewig gestrigen VerteidigerInnen der Haltung "jeder Stellplatz ist wichtig". Insbesondere Solidemos im Falle örtlicher Flächenkonflikte seien ein wichtiges Mittel, um Politik und Öffentlichkeit die vorherrschende Bereitschaft zur Neuverteilung der Flächenverhältnisse vor Augen zu führen. Außerdem prangerte Heinrich die #Autojustiz an, in der das Töten von Radfahrenden zwischenzeitlich von jüngst noch 5.000€ Strafe langsam für dreistellige Beträge und Bewährungsstrafen zu haben ist.

In den Workshops wurden dann folgende Themenblöcke vertieft:

- Erreichen von Aufmerksamkeit und durch Politik Lobbyarbeit engagierter BürgerInnen mit Heinrich Strössenreuther und Christine Lehmann

- Kampagnenzutaten für Radengagement als Treiber der städtischen Verkehrswende mit dem Radentscheid Stuttgart und Esslingen aufs Rad, moderiert vom Vorsitzenden des Arbeitskreises Verkehr der BW-ischen Landtags-Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Hermino Katzenstein

- Lebensqualität durch Umgestaltung des Straßenraumes mit dem OB von Leonberg Martin Kaufmann und der Architektin Hanka Griebenow von "Parklets für Stuttgart"

- Emissionsfreier Wirtschaftsverkehr mit der Hyggelig Bikes GmbH und Velocarrier Tübingen, moderiert von Björn Peterhoff, Sprecher für Verkehr der Stuttgarter Gemeinderatsfraktion Bündnis90/Die Grünen

- Mobilität im ländlichen Raum mit dem TeilAuto e.V. und dem Pro RegioStadtbahn e.V. Mössingen

Da ich nicht in allen Workshops zeitgleich zugegen sein konnte empfehle ich die umfassendere Dokumentation, die unter dem Link oben zu finden ist.

Zum Abschluss diskutierten noch der Stuttgarter OB Fritz Kuhn, der Karlsruher Baubürgermeister a.D. Michael Obert, der Landesfachbereichsleiter Verkehr bei ver.di BW Andreas Schackert, Jobst Kraus vom BUND BW und Anne Pelzer von Hyggelig Bikes die in den Workshops erarbeiteten Forderungen hinsichtlich der Frage, wie aus unseren guten Ideen Politik wird. Auch über diese Diskussion ist auf der verlinkten Seite ausführlicher geschildert.

Ach ja: Aussteller-Stände gab's von der Initiative Allianz für Beteiligung e.V., dem Aktionsbündnis gegen S21 ProRegioStadtbahn,  Stadtmobil Stuttgart, der taz, der Hyggelig (Elektrolastenrad-)GmbH, Parklets für Stuttgart, Freies Lastenrad Stuttgart, Bike Bridge Stuttgart (Fahrradkurse für Frauen mit Migrations- und Fluchterfahrung) sowie vom Regionalverband Stuttgart Pro Bahn e.V., dem ADFC BW, dem Förderprogramm Lastenräder für Familien der Stadt Stuttgart (oh - das muss ich ja grad noch als Forderung für "meinen" Radentscheid Tübingen aufnehmen ;)  und von Vertretern des VCD Baden-Württemberg, die für die Panoramabahn warben.