Was ist uns das Auto wert?

Auto Stadtplanung

Autofahren ist der Wirtschaftsmotor heißt es häufig. Ohne die Automobilindustrie gibt es weniger Fortschritt und weniger Arbeitsplätze. Oder Deutschland lebt von der Automobilindustrie. Ein weiterer häufig anzutreffender Mythos ist auch: Jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland hängt direkt oder indirekt mit der Automobilindustrie zusammen. Ist die Gesellschaft wirklich so abhängig vom Auto oder würde die Ökonomie nicht gar von einer Förderung alternativer Mobilitätskonzepte profitieren?

Ja meinte Michael Adler in einem Artikel im VCD-Magazin Fairkehr. Er hat schon vor vier Jahren darauf aufmkerksam gemacht, dass wenn dem so wäre, Deutschland etwa 200 Millionen Arbeitsplätze haben müsste [1]. Woher kommt diese Zahl also und warum wird sie so häufig in der öffentlichen Debatte missbraucht? Adler nennt das Jahr 1978 als Ursprung dieses Zahlen-Mythos. Just im Jahr der zweiten Ölkrise, als die Automobilindustrie in Deutschland mit viel Gegenwind zu kämpfen hatte, errechneten Forscher, dass in Deutschland gar nur jeder 21. Arbeitsplatz von der Automobilindustrie abhängig ist. Der VDA, die Lobby deutscher Automobilhersteller sah das damals ganz anders und ließ seinerseits Berechnungen anstellen, die von der Politik und den Medien dank erfolgreicher Kampagnenarbeit kritiklos übernommen wurden, mit den oben genannten Widersprüchen.

In den Niederlanden setzte zu dieser Zeit ein erstaunlicher Wandel ein: Politiker, Bürgerinitiativen und Gemeinden haben sich gegen die auch dort sehr starke Autolobby verschworen und gemeinsam auf das Rad als Hauptverkehrsmittel gesetzt. Heute haben die Niederländer ein höheres Bruttonationaleinkommen pro Kopf als Deutschland, das sich seit 1978 weiter zur autogerechten Gesellschaft "entwickelt" hat. Mit allen negativen Folgen: Mehr - vor allem schwere - Verkehrsunfälle, stärkere Umweltprobleme und große volkswirtschaftliche Schäden durch das Autofahren als Massenphänomen.

Das Londoner Center for Economics and Business Research hat erst kürzlich festgestellt, dass alleine Staus durch verschwendetes Benzin und vergeudete Arbeitszeit in den nächsten 15 Jahren die Volkswirtschaft mit 520 Milliarden Euro oder 34 Milliarden jährlich belasten [2]. Nicht eingerechnet sind darin die Folgekosten durch Umweltverschmutzung, Straßenbenutzung, Gesundheitsschäden uvm. Die TU Dresden hat 2012 für diese Folgekosten wiederum 88 Milliarden p.a. Euro berechnet [3]. Zusammen verursacht der Autoverkehr also einen gesamtwirtschaftlichen Schaden von mindestens 120 Milliarden Euro. Das macht pro Automobil ca. 2000,- Euro im Jahr, oder pro Kilometer etwa 17 Cent, die auf die Verbraucher umgerechnet werden müssten, wollte man das System Auto volkswirtschaftlich gerecht betreiben. So bezahlt aber jeder nichtmotorisierte Bundesbürger für den Automobilismus über 2000 Euro pro Jahr..

..Jeder Einzelne! Warum also lässt sich die Gesellschaft die verbrennungsmotorisierte Individualität so viel kosten, obwohl die Widersprüche immer eklatanter werden? Es sind nicht Arbeitsplätze die verloren gehen könnten - der VCD hat schon 1998 mit dem Öko-Institut errechnet, dass durch multimodale Verkehrskonzepte sogar mehr Arbeitsplätze existieren würden als heute [1]. Es ist ist auch nicht der ökonomische Nutzen, der Autofahren als effektives Massentransportmittel prädestiniert. Vermutlich sind es einfach vor allem Lobbykampagnen und die hochglanzbroschierten Werbeversprechen der Automobilhersteller, die das Auto als Verkehrsmittel in einem besseren Licht da stehen lassen, als angemessen. Hinzu kommen althergebrachte Vorstellungen und Mythen, die uns Verbraucher glauben lassen, dass das Auto Synonym für Mobilität und Freiheit schlechthin sei.

Jeder, der das heute noch ernsthaft denkt, möge sich beim nächsten Feierabend- oder Autobahnstau ernsthaft Gedanken über dieses angestaubte Weltbild aus der Dunkelkammer autogerechter Stadtplanung der sechziger Jahren machen..

 

[1] http://www.fairkehr-magazin.de/1034.html
[2] green.wiwo.de/verkehr-2030-kosten-staus-520-milliarden-euro/
[3] www.zeit.de/auto/2013-02/autofahren-kosten-studie profitieren?