Interview: 3.000 km mit dem Fahrrad für »cycling the change«

Vom 30.04. bis 31.05.2022 radelte Tobi Rosswog 3.000 km durch Deutschland, Österreich und die Schweiz und gab insgesamt 33 Impulsvorträge, um zum Austausch über die Verkehrswende anzuregen. Wir haben bei Tobi nachgefragt, was seine prägendsten Erlebnisse waren.

DIY:  Wer bist du und was machst du, wenn du nicht im Sattel sitzt?

Tobi: Ich heiße Tobi (Rosswog) und bin als freier Dozent, Autor und Aktivist für die sozial-ökologische Transformation unterwegs. Ich gebe rund 150 Vorträge und Workshops im Jahr an Universitäten, Kongressen, Camps und in der freien Wirtschaft, wie beispielsweise bei VW oder Daimler. Als Autor gab ich gemeinsam mit Jutta Sundermann, Jörg Bergstedt und Clara Thompson das »Aktionsbuch Verkehrswende« im oekom Verlag heraus. Als Aktivist war ich passend zum Thema Verkehrswende im Danni (Dannenröder Wald) aktiv und habe die Vortrags- und Aktionsfahrradtour »cycling the change« gestaltet.

DIY: Was hat dich bewegt „cycling the change“ ins Leben zu rufen?

Tobi: Mir liegt das Thema »Verkehrswende« schon länger am Herzen und eine längere Fahrradtour wollte ich schon seit zehn Jahren endlich mal wieder machen. Immer wieder waren zeitintensive Projekte dazwischen gekommen, die es nicht zuließen, einfach mal einen Monat unterwegs zu sein. Dieses Jahr klappte es dann endlich und so konnte ich eine Vortrags- und Aktionsfahrradtour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz im Mai machen. Mehr Infos dazu unter: cycling-the-change.de

Das Recht auf Mobilität sollte nicht mit dem Recht auf Führerschein und Autofahren verwechselt werden. Es geht um die Demokratisierung der Mobilität und um inklusive Mobilität. Damit wir alle gut unterwegs sind zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit dem ÖPNV.

DIY: Warum ist dir die Verkehrswende wichtig?

Tobi: Verkehrswende verbindet soziale und ökologische Fragen. Das finde ich unglaublich spannend und freue mich, dazu etwas beitragen zu dürfen. Außerdem ist das Thema aktuell sehr präsent, weil darin viel Veränderungspotential steckt. Konkret gibt es fünf Säulen der Verkehrswende, die wir anpacken dürfen:

  1. Kurze Wege, Verkehr reduzieren
  2. Fahrradstraßen, Verkehr auf das Fahrrad zu verlagern
  3. Autofreie Zonen, um die Nutzung des Autos unattraktiver zu machen
  4. Attraktive Fußgänger*innenzonen, um mehr Begegnung auf unkommerziellen Bereichen zu ermöglichen
  5. Kostenloser und gut ausgebauter ÖPNV, der Nulltarif ist sozial gerecht und ökologisch sinnvoll

DIY: Was waren deine persönlichen Highlights auf der Tour?

Tobi: Da gibt es unzählige. Zum Einen bin ich sehr dankbar über die Resonanz. Jeden Abend gab ich einen Vortrag und es war sehr schön zu beobachten, dass beim Thema Verkehrswende überall eine Aufbruchsstimmung schlummert. Besonders radikalere und kreative Aktionen wurden angenommen und gefeiert und lösten den größten Reiz aus. Allen ist die Klimakatastrophe ein Begriff. Sie ist nicht nur rational verständlich, sondern auch emotional berührend. Da sehe ich viel Potential für gesellschaftliche Veränderung. Es war mir eine Freude, mit den Menschen vor Ort Banden bilden zu dürfen für direkte Aktionen, die wir sofort umgesetzt haben.

Zum Anderen war auch die Reise besonders in den Morgenstunden ein großartiger Genuss. Dabei erinnere ich mich an die Tour von Freiburg nach Karlsruhe, wo mir früh morgens das eine oder andere Reh »Guten Morgen« sagte. Oder die Strecke am Rhein entlang von Wiesbaden nach Köln ist traumhaft schön. Ich bin dankbar, auf dem Sattel sitzend Zeit für weitere kreative Ideen bekommen zu haben.

DIY: Was hat dich am meisten überrascht, positiv wie negativ?

Tobi: Die Polizei kennt die StVO nur unzureichend. In Freiburg versammelten wir uns nach dem Vortrag zu einer Critical Mass. Nach dem Motto »Mach Deine Theorie zur Praxis« sind noch 20 Menschen gemeinsam auf die Fahrräder gestiegen und durch Freiburg gefahren. Kurze Zeit später kam die Polizei mit einem Großaufgebot vorbei und blockierte unsere Weiterfahrt. Sie meinte, dass wir eine Demo hätten anmelden müssen. Auch der Verweis auf den §27 in der Straßenverkehrsordnung, der uns diese Aktionsform ermöglicht, beeindruckte die Polizei nicht. Ich fragte nach dem Grund uns so festzuhalten. Daraufhin antworteten die Polizist*innen, dass fünf Autofahrer*innen dort anriefen und meinten, dass wir den Verkehr störten. Daraufhin konnte nur erwidert werden: »Wir stören nicht den Verkehr. Wir sind der Verkehr!«. Daran dürfen wir immer wieder erinnern: Uns gehören die Straßen.

Außerdem überraschten mich immer und immer wieder die, wenn überhaupt vorhandenen, schlecht ausgebauten Fahrradwege. Irgendwann fing ich an, die ausgewiesenen Fahrradwege nicht mehr zu nutzen, weil sie in einem unakzeptablen Zustand sind: holprig, unzureichend gepflastert und ausgebaut, immer wieder hoch und runter beim Kreuzen der Fahrbahn, ganz zu schweigen von den Umwegen, die Dir abverlangt werden, damit Du ja den Autofluss nicht störst. Oft auch ein »Radweg«, den Du mit Fußgänger*innen und Rollstuhlfahrer*innen teilen musst, der dich durch Bushaltestellen und Haltebuchten für Busse führt oder die zu schmalen Radwege, auf denen langsamere Radfahrer*innen gar nicht überholt werden können und es für alle eine echte Zumutung ist. Nicht zuletzt die Frage, die auch Jan Böhmermann in seinem Superhit stellte: »Warum hört der Fahrradweg einfach hier auf?«

DIY: Welche Tipps möchtest du anderen mit auf den Weg geben, um die Verkehrswende voranzubringen?

Tobi: Bei meinem Beitrag zum Science Slam an der TU Braunschweig Mitte Juni durfte ich unter der Überschrift »CARISM – Das Glaubenssystem Auto und warum wir den Glauben daran schnell wieder verlieren sollten« auf den letzten Folien drei Tipps geben:

  1. Glaube niemals einer 3 Tipps Liste, die Dir erklären will, wie Du ab sofort alles besser machen kannst und alles besser wird.
  2. Lasst uns Zucker im Tank sein! Sand im Getriebe!
  3. Uns gehören die Straßen! Lasst uns Banden bilden.

Du möchtest mehr über Tobi und seine Tour erfahren? Dann schaue hier auf seiner Webseite vorbei.