Die Erfahrung Moderator einer Großdemo zu sein

Hey Leute! Heute - beziehungsweise, wenn ich das hier fertig geschrieben und veröffentlicht habe, wahrscheinlich gestern - war der 20.09.2019. Demotag. Alle Vorbereitungen, Infostände, Plakataktionen, (digitale) Mundpropaganda, Interviews, Telefonate, Gespräche und Treffen der letzten beiden Monate gingen auf diesen Tag zu. Im letzten Jahrhundert hätte man das Ganze wohl "Großkampftag der Klimabewegung" oder so genannt. Tatsächlich heißt es <link https: twitter.com hashtag external-link-new-window internal link in current>#AlleFürsKlima. Dieser Blogeintrag nimmt euch mit auf die Demo und erzählt, wie die Erlanger FfF OG und ich diesen besonderen Tag bestritten und erlebt haben:

Vor der Demo

Morgens um halb acht klingelt der Wecker. Wer hat auch die blöde Idee gehabt um 11 zu demonstrieren und warum war ich da auch noch dafür? Naja egal. Es gibt jetzt nämlich noch viel zu tun. In gut drei Stunden werde ich vor einer hoffentlich sehr großen Menge stehen und die Eröffnungsrede halten. Ich gehe die groben Punkte, die ich mir notiert habe, nochmal durch. Das Ausformulieren mach ich dann immer halb spontan. Klingt besser und man ist flexibler, wenn einem die genaue Formulierung nicht mehr einfällt. Meine Aufgaben heute sind Einheizer und Moderator. Ich werde die Veranstaltung mit einer kämpferischen Rede eröffnen, die Besucher*innen durch die Programmpunkte leiten und dafür sorgen, dass sich niemand langweilt. Danach werde ich mich in irgendeinen Block unserer Demo einreihen und mit dem Megaphon Sprechchöre anstimmen. Auf den Erlanger FfF-Demos ist die Stimmung immer ziemlich gut und dementsprechend laut wird es heute auch. Ich pack 'ne Flasche Wasser in den Rucksack, meine Stimme wird heute Abend wohl trotzdem weg sein. Ich check nochmal, ob ich alles dabei habe und schwing mich auf's Rad. Nach einem Frühstück auf der Fahrt komme ich gegen viertel vor 10 am Schlossplatz an. Noch zirka eine Stunde bis es losgeht. Einige bauen die Technik auf, andere briefen die Ordner*innen und wieder andere verteilen Funkgeräte. Funkgeräte. Das ist schon next-level zu unseren bisherigen Demos aber heute wird es größer als sonst und da ist Erreichbarkeit super wichtig. Fühlt sich ehrlich gesagt in erster Linie auch cool an. Ich gehe mit meinen Leuten nochmal die Sprüche durch, die ich nachher mit der Menge üben werde. Kurz vor 11 Uhr. Die Nervosität steigt. Inzwischen sind es wesentlich mehr als die von mir erhofften 2000-3000 Leute und es werden immer mehr. Ich schreibe mir jetzt sicherheitshalber doch nochmal meine Rede auf. Atme zwei-dreimal tief durch, geh auf die Bühne, steig' auf den Schultisch obendrauf und hebe mein Mikro.

"Hallo Erlangen"

Vor mir nur Menschen. Der ganze Schlossplatz ist voll. Später werden wir wissen, dass unserem Aufruf zum Klimastreik 6500 Personen gefolgt sind. Neben mir stehen Flo und Lou - unsere Veranstaltungsleiter - und eröffnen offiziell und übergeben mir wieder das Wort. Ich begrüße die Menge, erzähle die Erfolgsgeschichte von FfF in Erlangen schnell, zähle die überwundenen Widerstände auf und verspreche, dass wir den Zweiflern zum trotz die Sommerferien überstanden haben und jetzt stärker sind als je zuvor. Ich schließe damit, dass wir den Diskurs und die Politik weiter vor uns hertragen müssen und werden: "Wir streiken bis ihr handelt! What do we want?! Climate Justice! When do we want it?! Now!". Es folgen eine Band und mehrere Reden, die ich immer jeweils ankündige und kurz vorstelle. Zwischen den Programmpunkten streue ich ein paar Infos ein oder übe Sprechchöre mit der Menge. Da wir nicht mit ganz so vielen Teilnehmenden gerechnet haben, reicht die Technik leider nicht ganz aus, jeden zu beschallen. Wir schicken schnell drei Leute mit Megaphon nach hinten, damit sich niemand langweilt. Doch sonst läuft alles ziemlich rund. Nach der letzten Rede des ersten Blocks setzt sich der Zug in Bewegung. Ich bleibe und mache Stimmung bis der Platz leer ist, was über 20 Minuten dauert. Die Demoroute ist 2,7 Kilometer, der Zug über 750 Meter lang. "Mein" Abschnitt ist das hintere Drittel. Hier ist die Stimmung je näher man in die Mitte kommt immer besser. Die Jungs von der Critical Mass Erlangen arbeiten mit ihrem Soundbike jedoch hart daran, dass auch das Zugende auftaut. Ich für meinen Teil auch, denn ich schrei' mir mit meinem Megaphon die Seele aus dem Leib. Gottseidank haben wir Lastenräder mit Wasser und Hustenbonbons in der Menge verstreut, sonst wäre das mit der restlichen Moderation wohl nix mehr geworden. Auf der halben Strecke kommen die ersten Ergebnisse unserer Zähler: Über 5000 Leute!!! Getragen von Euphorie bejubel ich die Teilnehmenden und rufe sie dazu auf das selbe zu tun. Ohrenbetäubende Begeisterung. Ab jetzt ist die Stimmung überall klasse, Sprüche werden zu Selbstläufern und sobald wir in die Fußgängerzone kommen schließen sich sogar Leute an: "Macht mit, Macht mit! Reiht euch in die Demo ein!" "Whose Future? Our Future" "What do we want? Climate Justice!". Am Schlossplatz kommen wir mit gut einer Stunde Verspätung an. 

Als alle da sind, hüpf' ich wieder auf die Bühne für die Moderation der Abschlusskundgebung mit einem bunten Programm aus Reden und tollen Bands. Selbst die enttäuschenden Neuigkeiten vom #NotMyKlimapaket können die gute Laune nicht mehr trüben, dass wir die größte Demo in  Erlangen seit über 40 Jahren waren. Dann verkünden wir ausgelassen die offiziellen Zahlen,  beenden die Demo und bauen erschöpft ab. Die meisten gehen jetzt erstmal schlafen oder was essen, ich noch auf nen Workshop und dann feiern mit Freunden.

Das war's von meinem 20.09.2019. Ich schreib euch aber bald wieder.

Macht's gut!